Ali Al Hamad studiert in Zittau im Masterstudiengang Pharmazeutische Biotechnologie. Er berichtet von seiner Flucht aus Syrien, und wie er an der HSZG seine akademische Heimat gefunden hat.
In unserer Reihe "Dein Weg zum Master" stellen wir in regelmäßigen Abständen unsere Master-Studierenden näher vor und berichten über ihre Beweggründe für die Wahl ihres ganz besonderen Studienganges, ihr Leben in der Region und ihre persönlichen Ziele.
Ali Al Hamad studiert in Zittau seinen Master in Pharmazeutischer Biotechnologie. Er stammt aus Syrien und floh 2012 aus seinem Heimatland. Ein Gespräch über eine lange Reise, Hoffnung und Heimat.
Irgendwann, in einem anderen Leben, da hat Ali Al Hamad schon mal Agraringenieurwesen in der Abteilung Lebensmittel-Biotechnologie studiert. Abschließen konnte er dieses Studium nicht. Der seit 2011 anhaltende Bürgerkrieg in Syrien kam ihm dazwischen. Fünfundzwanzig ist Ali AL Hamad als er aus seiner Heimat Darʿā nach Europa flieht, die Stadt liegt ca. 60 Kilometer von Damaskus. Das Al in Alis Nachnamen ist wie ein „von“ im Deutschen; Ali von Hamad quasi, erklärt er mir. Heute ist er 34, er kommt gerade aus Dresden, hat noch ein paar Dinge in Zittau zu erledigen, kurz vor seinem Masterabschluss in Pharmazeutischer Biotechnologie. Auch seinen Bachelor, Molekulare Biotechnologie, hat er in Zittau studiert. Er ist älter als die meisten anderen Studierenden. „Aber ich vergleiche meinen Abschluss nicht mit anderen“, sagt Ali Al Hamad. „Mein Studium ist ein Sieg gegenüber allem, was ich erlebt habe, ein Sieg für mich selbst. Ich bin sehr stolz auf mich.“
Bevor Ali Al Hamad aus seiner Heimat flieht, steht er vor zwei Möglichkeiten: entweder versucht er es, irgendwie nach Europa zu gelangen, wieder Hoffnung zu bekommen, auf ein sinnvolles Leben, oder er stirbt auf dem Weg. Da war ein Schutzengel an seiner Seite, die ganzen langen Wochen der Flucht. Er hatte Glück, sagt er heute. Als der Motor auf dem Schlauchboot ausfällt, irgendwo auf dem offenen Meer zwischen Istanbul und Griechenland. Beim zweiten Versuch schaffen es die ca. 40 Menschen an Board bis nach – ja, wohin eigentlich – das weiß Ali Al Hamad manchmal selbst nicht, klar, die grobe Richtung; Europa, aber war es nun Lesbos, Budapest, war es Wien, oder Serbien? Er schafft es bis Dresden. Und das ist das wichtigste.
Ali Al Hamad hat einen weiten Weg hinter sich, im doppelten Sinne. Nach seiner Flucht nach Deutschland dauert es nochmal drei Jahre bis er sich an Unis und Hochschulen bewerben und ein Studium beginnen kann. Er stellt einen Asylantrag, lebt in Dresden, kann sich Dank seiner Familie und Erspartem über Wasser halten. Mit YouTube lernt er Deutsch bis Level A2. Mit Sprachniveau B2 beginnt er sich zu bewerben, sowohl Dresden als auch Zittau wollen ihn. Zittau gefällt ihm sofort. „Schön ruhig“, sagt Ali Al Hamad. „Die Freundlichkeit hier hat mich richtig berührt.“ Er besteht die DSH Sprachprüfung – mit ihr wird überprüft, ob die Deutschkenntnisse ausreichen, um ein deutschsprachig geführtes Studium an einer Hochschule in Deutschland zu absolvieren. Die Sprachkenntnisse müssen dabei dem Niveau C1 entsprechen. Dann sitzt er 2018 in den ersten Vorlesungen in Zittau und versteht nichts, kein Wort. Versteht den Dialekt nicht. Schreibt schlechte Noten. Die ganzen ersten zwei Semester. „Spricht der da vorn überhaupt Deutsch, hab ich mich gefragt“, sagt Ali Al Hamad und lacht. „Aber klar, ich habe immer Deutsch für Ausländer gelernt, die Menschen haben sich Mühe gegeben, dass wir sie verstehen.“ Doch Ali Al Hamad wird erfinderisch: „Ich habe ein paar Professor*innen gebeten, die Vorlesungen aufnehmen zu dürfen. Dann habe ich mich zu Hause hingesetzt und die Vorlesungen durchgearbeitet, in meinem Tempo.“
Seitdem hat Ali Al Hamad seine Noten stark verbessert, schließt erfolgreich den Bachelor ab, steht heute kurz vor seiner Masterarbeit.
Er beschäftigt sich in seiner Masterarbeit mit Lungenzellen und Luftverschmutzung. „Man entdeckt auf dem Weg seine Interessen“, sagt er. „Immunzellen, Bakterien, Viren, und Pilze sind interessant, finde ich.“ Seinen Master macht er in Zusammenarbeit mit der Uniklinik Dresden, er ist in dem Zuge auch wieder zurück nach Dresden gezogen, in ein WG Zimmer. Ali Al Hamad will noch weiter: bis zum Ph.D., dem Doktor.
„Meine Region, meine Heimat, nennt sich der 'Gemüsekorb', es gibt viel Natur, ähnlich wie hier in Zittau und das gefällt mir so gut.“ Trotzdem ist da immer diese diffuse Angst, es könnte ihm wieder genommen werden, dieses gute Leben. Zu viel hat er erlebt, zu viel gesehen. Über seine Flucht hat Ali Al Hamad ein Buch verfasst, handschriftlich und mit dickem Klebeband eingebunden. „Für meine Kinder vielleicht“, sagt er. „Wenn sie es lesen wollen.“ Welche Richtung er für seine Doktorarbeit einschlägt, weiß er natürlich noch nicht. Es sei ihm fast egal: „Hauptsache, etwas mit Immunsystem“, lacht er.
Text: Sophie Herwig
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